Abschluss-Workshop und Abreise

03.03.2022

Die Online-Exkursion ist vorbei. Einige abschließende Gedanken.

Sebastian Polak-Rottmann und Hanno Jentzsch

15 Tage Online-Exkursion sind vergangen wie im Flug. Täglich haben wir früh am Morgen bis in den Vormittag Gespräche mit Menschen in Aso geführt, die Gespräche dann in der Gruppe besprochen, Hintergründe recherchiert, den folgenden Tag vorbereitet, eher wenig geschlafen und wieder von vorne angefangen. Wie bei der „echten“ Feldforschung blieb dabei wenig Zeit zum Innehalten. „Irgendwie bekommt man nichts richtig fertig, sobald man ein Gespräch hinter sich hat, steht die Vorbereitung zum nächsten Punkt an“, so eine Teilnehmerin. Aber haben wir dabei wirklich was gelernt? Um einen ersten Überblick zu bekommen, haben wir den vorletzten Tag der Exkursion gänzlich dazu genutzt, alle unsere Beobachtungen der vergangenen 15 Tage zu sammeln und daraus einen kurzen Vortrag zu gestalten. Die einzelnen Gruppen arbeiteten intensiv an ihren Projekten – und tatsächlich konnten sie in der kurzen Zeit spannende Ergebnisse aufbereiten. Bei der Abschlussveranstaltung am letzten Tag waren dann als Gäste neben Prof. Kashiwagi und Dr. Wilhelm, die uns mehrmals während der Exkursion begleiteten, mit Prof. Koike auch eine Vertreterin der Universität Kumamoto anwesend. So verfolgte ein kleines, aber interessiertes Publikum die Projektpräsentationen unserer Forschungsgruppe.

Als Online-Reiseführer haben wir diesen Vortrag vor allem genutzt, um über die Durchführung der Exkursion zu reflektieren. Auch wir konnten bereits feststellen, dass wir durchaus eine Reihe spannender Informationen mit der Online-Forschung zutage bringen konnten. Die Vorbereitungen für die einzelnen Programmpunkte waren jedoch deutlich zeit- und arbeitsintensiver: Spontane Kontakte im Feld sind nicht möglich, stattdessen mussten wir alle Termine über mehrmaligen Emailverkehr festlegen (in manchen Fällen benötigte dies über 10 Emails), was aufgrund der Zeitverschiebung oft einige Tage in Anspruch nahm. Zudem war auch das sogenannte „Schneeballsystem“ bei der Interviewführung nur bedingt im Rahmen der 16-tägigen Exkursion durchzuführen. Viele Folgeinterviews mussten daher in der Woche nach der Exkursion stattfinden. Auch über logistische und kommunikative Vor- und Nachteile der Online-Forschung haben wir einiges gelernt. Während unser großer Gruppenraum mit Leinwand und gutem Audio-Equipment ideal für hybride Gruppenarbeit, Recherche und digitale Walks durch Aso war, schienen die Interviews produktiver zu sein, wenn alle Beteiligten ihren eigenen Bildschirm nutzen.

Die einzelnen Arbeitsgruppen stellten dann ihre vier Projekte vor: Tourismus, soziale Wohlfahrt, soziale Organisation und Migration. Was die einzelnen Perspektiven eint, waren die Veränderungen durch die Corona-Pandemie. Es wurde deutlich, dass viele für das Zusammenleben vor Ort wichtige Handlungen, Feste, Traditionen in der Regel nicht komplett abgesagt, sondern abgeändert bzw. angepasst wurden: Gefeiert wurde im kleinen Rahmen, Senior*innentreffs in entlegenen Gebieten wurden weiterhin abgehalten und statt ausländischer Tourist*innen kamen vermehrt Personen aus dem Umland. Vor diesem Hintergrund bleibt die Frage offen, inwiefern diese Anpassungen auch nach der COVID-Pandemie fortdauern und ob sich dadurch das soziale Leben vor Ort langfristig verändern wird. Dies wäre sicher eine spannende Frage für weitere Projekte im Aso-Raum.

Nach einer kurzen Pause folgte ein kurzer Vortrag von Prof. Koike, die die Studierendenprojekte des Global Leader Programms der Universität Kumamoto präsentierte. Eine Gruppe setzte sich mit der Erhaltung der Weideflächen in Aso auseinander – ein Thema, das auch uns während der Exkursion begleitete – und strich die Wichtigkeit von freiwilligen Helfer*innen sowie jungen Migrant*innen für die damit verbundenen Aufgaben hervor. Eine zweite Gruppe stellte internationale Migration ins Zentrum ihrer Überlegungen zur „Wiederbelebung“ der Regionen Japans. Sie äußerten beispielsweise die Idee, Personen aus dem Ausland für die Renovierung von alten japanischen Häusern zu begeistern und diese dann als Pensionen führen zu lassen.

In für uns nun bereits gewohnter Manier schaltete sich Dr. Wilhelm von unterwegs zu und reflektierte über die Unterschiede der Online-Exkursion und langfristiger „konventioneller“ Feldforschung, während er mit dem Auto durch Minami-Aso fuhr. Zwar kann man einige Elemente nur vor Ort erleben – wie etwa den Geruch eines Misthaufens – aber wertvolle Eindrücke zum Leben in Aso konnten wir nichtsdestotrotz im Zuge der 16 Tage erlangen. Im Zuge der daran anschließenden Diskussion wurde deutlich, dass stereotype Vorstellungen einer „vulnerablen“ Dorfgemeinschaft, die mit Problemen des demografischen Wandels und der Globalisierung überfordert ist, nicht den Erfahrungen entsprechen, die wir im Feld erleben durften. Zwar sehen sich viele Regionen Aso mit einem Bevölkerungsrückgang konfrontiert, doch zeigt gerade die Beschäftigung mit der Migration junger Menschen aus der Stadt in ländliche Gebiete, dass hohe Lebensqualität nicht allein durch Infrastruktur definiert werden kann.

Die Beschäftigung mit unterschiedlichen Facetten des sozialen Lebens in Aso während der Pandemie hat zudem die Frage aufgeworfen, welche Aspekte davon als Notwendigkeit angesehen werden und damit trotz potenzieller Ansteckungsgefahr als unerlässlich gelten. Beispielsweise zählte noyaki bzw. das jährliche Abbrennen der Weideflächen dazu, während der feierliche Umtrunk während eines Volksfestes nicht darunterfällt. Die „unsichtbare“ soziale Dimension dieser Tätigkeit scheint etwas zu sein, dessen Entzug man temporär erdulden kann, während „sichtbare“ Aufgaben wie die Erhaltung der Weideflächen nicht unterbrochen werden dürfen. Diese Diskrepanz in der gemeinschaftlichen Wahrnehmung der Notwendigkeit begleiteten unser Projekt bis zum Ende. Auch für uns stellte es keine Option dar, diese Exkursion ausfallen zu lassen. Stattdessen verlegten wir sie in den digitalen Raum und konnten dadurch einmalige Feldforschungserfahrungen machen, deren Intensität viele von uns überraschte.

Bevor wir uns im kommenden Semester an die gründliche Auswertung der gesammelten Daten machen, wollen wir uns  schon an dieser Stelle herzlich bei allen Personen bedanken, die uns bei diesem Projekt unterstützt haben: Bei allen Interviewpartner*innen in Aso, den Professor*innen Kashiwagi und Klien für ihren wertvollen Input, bei der Universität Kumamoto für die Möglichkeit des Austauschs unter den Studierenden, ganz besonders auch bei Dr. Wilhelm für die Organisation und Durchführung von drei Programmpunkten, bei den Studierenden für ihr großartiges Engagement und nicht zuletzt auch bei den Leser*innen dieses Blogs. Und jetzt feiern wir den Abschluss dieser Exkursion!

Unser Maskottchen. Design: Johanna Mayr.

Ein letztes Mal Aso auf dem großen Bildschirm im Studierraum. Bild: Sebastian Polak-Rottmann.

Gruppenfoto. Bild: Lenka Miyanohara.

Yakiniku auf der Abschlussfeier. Bild: Sebastian Polak-Rottmann.