Zen in den Kampfkünsten, oder wie verhält sich Religion zum Krieg?

29.06.2023 18:30 - 20:00

A hybrid u:japan lecture by Wolfgang Herbert (Tokushima University, Japan)

| Abstract |

Was hat das Zen, verwurzelt in einer Religion, deren höchstes Gebot das Nicht-Töten, ja Nicht-Verletzen lebender Wesen ist, mit den Kriegskünsten zu schaffen? „Mind Fitness Training“ basierend auf mindfulness (urbuddhistisches Achtsamkeitstraining) wird vom US-Militär praktiziert, um mit erhöhter Aufmerksamkeit Drohnen zu steuern oder Feuerwaffen zu bedienen. Hat das mit der Lehre des Buddha noch irgendetwas zu tun? Kann es analog aus christlicher Sicht einen heiligen oder auch nur gerechten Krieg geben, wenn man die fundamental pazifistische Bergpredigt ernst nimmt? Am Beispiel des Zen-Buddhismus möchte der Referent diesen Ambivalenzen nachgehen. 
Schon der erste Patriarch des Zen in China, Bodhidharma, wird der Legende nach mit der Entwicklung einer Faustkampfmethode in Verbindung gebracht. Als Zen im frühen Mittelalter nach Japan kam, geriet es unter die Patronanz der zu politischer Macht aufgestiegenen Kriegerkaste (der bushi, vulgo Samurai). Das rigorose Geistestraining und Detachment des Zen wurde in die Kunst des ungerührten Tötens integriert. Auf die Schriften berühmter Schwertkämpfer beriefen sich auch Zen-Priester, die in den von Japan im 20. Jh. geführten Kriegen ideologische Beihilfe geleistet haben. Ihre verkorksten Legitimationen des Tötens in der Schlacht sollen analysiert werden. Handelt es sich um perverse Verdrehungen der Lehre oder sind Zweckentfremdungen dieser Art dem Zen inhärent, wenn es auf eine reine Psychotechnik reduziert und seiner ethischen Grundlagen beraubt wird? Anhand historischer und gegenwärtiger Beispiele sollen diesbezügliche Sondierungen vorgetragen werden.   
Die Anrufung höherer Mächte oder der Einsatz spiritueller Fähigkeiten bei der Mobilisierung zum Krieg dürften seit Anbeginn der Geschichte der Menschheit eine Rolle gespielt haben und können starke emotionale und motivationale Kräfte wecken. Den möglichen Tod vor Augen habend, eröffnet sich ein Nexus zur Transzendenz wie von selbst. Da kann dann (jede) Religion umstandslos für martialische Ziele instrumentalisiert werden und wird es auch – quod erat demonstrandum.   

| Bio |

Dr. Wolfgang Herbert, Studium der Japanologie, Philosophie und Religionswissenschaften an der Universität Wien, Professor für Vergleichende Kulturwissenschaften an der Universität Tokushima, 6. Dan Shotokan Karate-dô; Autor des Buches: Buddha, Zen und Achtsamkeit. Eine kurze Geschichte des Buddhismus im deutschen Sprachraum. Essen: Oldib 2012, und des Artikels „Was hat Bodhidharma im Karate-dōjō verloren?“ in OAG Notizen 2019/05 (https://oag.jp/img/2019/05/Notizen-1905_Bodhidharma.korr_.pdf).

| Date & Time |

u:japan lecture | s06e14
Thursday 2023-06-29, 18:30~20:00
max. 50 participants (on site) + max. 300 participants (online) 

| Place & Preparations | 

| Plattform & Link |

| Further Questions? |

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Organiser:

Institut für Ostasienwissenschaften - Japanologie

Location:
Seminarraum 1 (Hof 2, Tür 2.4, EG)