Vortrag | Schwache Zivilgesellschaft versus starker Staat?

07.11.2018

Dr. Momoyo Hüstebeck (Universität Duisburg-Essen) | Freitag, 19. Oktober 2018

Entwicklungen von sozialen Bewegungen und gemeinnützigen Organisationen in Japan

Nach dem Reaktorunfall in Fukushima 2011 gingen in den Folgemonaten Bilder von Massendemonstrationen in Tokyo und anderen japanischen Großstädten um die Welt. Neue sozialen Bewegungen wie die Anti-AKW-Bewegung oder die Demonstrationen gegen eine Verfassungsänderung 2015/16 haben in einem Ausmaß die japanische Bevölkerung mobilisiert, das mit den Massenprotesten 1960 gegen die Revision des japanisch-US-amerikanischen Sicherheitsvertrags vergleichbar ist. Bürgerinnen und Bürger, die sich zuvor nicht an Demonstrationen beteiligten, gingen auf die Straße. Durch soziale Medien konnten die Aktivisten vor allem die jüngere Generation erreichen, die die stärkste Gruppe von Nichtwählern darstellt (Wiemann 2017).

Die Entstehung einer neuen sozialen Bewegung ging indes nicht mit einer Revitalisierung der politischen Partizipation der gesamten Zivilgesellschaft einher. Vielmehr wird die japanische Zivilgesellschaft in der Literatur hinsichtlich eines Eintretens für ihre politischen Interessen gegenüber den politischen Institutionen als schwach beschrieben (Pekkanen 2006; Ogawa 2009; Haddad 2007; Deguchi 2010: 7). Die nicht-institutionalisierte politische Partizipationsbereitschaft ist im Vergleich zu anderen Demokratien in Japan nach wie vor gering. Auch nach der Verabschiedung des NPO-Gesetzes vor nun zwei Dekaden sind die meisten eingetragenen gemeinnützigen Organisationen (NPO) im kommunalen Pflegesektor aktiv.

Der Vortrag zeichnet die zivilgesellschaftliche Entwicklung in Japan seit den 1960er Jahren nach und geht auf die aktuellen Merkmale ein. Dabei gilt den Gründen für die (vermeintlich?) schwache Zivilgesellschaft Japans ein besonderes Interesse.

Dr. Momoyo Hüstebeck hat seit September 2018 eine eigene Stelle am Institut für Ostasienwissenschaften der Universität Duisburg-Essen inne. In ihrem Projekt untersucht sie neue Formen von Deliberationen im japanisch-deutschen Vergleich. Dabei interessiert sie insbesondere der politische und gesellschaftliche Kontext, in dem die partizipativen Entscheidungsverfahren in beiden Demokratien implementiert werden. Das Forschungsprojekt wird im Rahmen des BMBF-Programms “Kleine Fächer – Große Potenziale” für drei Jahre gefördert.