| Abstract |
Der altgediente Kriminaljournalist Mizoguchi Atsushi spricht von „tektonischen Verschiebungen“ in Japans Unterwelt. Er hat auch den Begriff für neue kriminelle Cliquen geprägt: Hangure. Nicht rechtstreue Bürger, nicht Yakuza, beides zur „Hälfte“ (han) und „heruntergekommen“ (von „gureru“), aber eben auch nur auf halber Strecke. „Gure“ kann auch für „grau“ in Grauzone stehen. Anhand exemplarischer (Auto)Biographien wird der Referent versuchen, das Milieu und die Lebenswelt der hangure zu schildern.
Es handelt sich bei ihnen um lose, netzwerkartige, kurzfristige, deliktzentrierte Zweckverbindungen, die Polizei spricht auch von „amöbenhafter“ Struktur. Meist handelt es sich um kleine Zellen, aber manche hangure imitieren die Yakuza-Organisationen in ihrem pyramidenhaften Aufbau und es sind Banden mit mehreren hundert Mitgliedern aufgeflogen. Ihre Haupteinnahmequelle sind Betrugsverbrechen, wobei betuchten Betagten mit diversen Schwindeleien die Ersparnisse abgeluchst werden (sog. furikomesagi = Betrügereien via Banküberweisung). Dazu gehört auch Investitionsbetrug.
Daneben gibt es massiv gewaltbereite hangure, die zunehmend Yakuza-Domänen wie das Kredithaiwesen, Schuldeneintreiben, Schutzgelderpressung und die Sexindustrie übernehmen. Im Nachtleben sind sie heute dominant, betreiben „Girl Bars“ und Host-Clubs, in denen exorbitant überhöhte Preise abgepresst werden. Auch das Glücksspiel (Internet) und der Drogenhandel gehen in ihre Hände über. Es bilden sich hybride Formierungen aus: Yakuza und Ex-Yakuza fungieren als Auftraggeber oder Consiglieri oder werden gar Mitglieder. Es kommt zu Geldfluss zu den Yakuza, die für Protektion und Logistik sorgen.
Die landesweite Mannstärke der Yakuza weist in den letzten Jahren einen beträchtlichen Schwund auf. Der Nachwuchsmangel ist eklatant. Ökonomisch haben die Yakuza eine Modernisierung und Adaption an die Informationsgesellschaft verpasst. Sie stehen unter fatalem Druck der Strafverfolgungsbehörden. Unter deren Radar bleiben hingegen die neuen kriminellen Gruppen, die nicht Objekt der rigorosen Anti-Yakuza-Gesetze und Ausschlussverordnungen sind. Auf dem kriminellen Markt geschieht ein Verdrängungswettbewerb und Generationswechsel, der die Yakuza mehr und mehr zum Verschwinden bringt. Dafür erleben sie eine filmische Auferstehung auf Netflix, worauf der Referent auch kurz verweisen wird.
| Bio |
Dr. Wolfgang Herbert, Promotion in Japanologie (Nebenfach: Religionswissenschaften) an der Universität Wien 1993, Professor für Vergleichende Kulturwissenschaften an der Universität Tokushima. Hauptautor (mit Dirk Dabrunz) des Buches: Japans Unterwelt. Reisen in das Reich der Yakuza. 2. aktualisierte Aufl. Berlin: Reimer 2022. Ein aktueller Artikel zum Thema erschien in den OAG Notizen 2022 (11) unter dem Titel „Saraba Yakuza – Aufstieg der Hangure“
| Date & Time |
u:japan lecture | s06e02
Thursday 2023-03-09, 18:30~20:00
max. 50 participants (on site) + max. 300 participants (online)
| Place & Preparations |
| Plattform & Link |
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Meeting-ID: 674 6130 7884 | PW: 941132
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