Der Rat für Soziale Wohlfahrt in Aso

24.02.2022

Einsichten über die Notwendigkeit sozialer Aktivitäten auf der Community-Ebene.

Katja Palaszewski

Heute starteten wir alle remote um 8 Uhr in ein Gespräch mit zwei Vertreterinnen des Shakai fukushi kyōgikai (Rat für Soziale Wohlfahrt, kurz: Shakyō) von Aso-shi  – ein Event, das besonders für unsere Gruppe (soziale Wohlfahrt/Einsamkeit) wichtig war. Unsere Gesprächspartnerinnen hatten sich im Vorhinein von uns auch ein bisschen Input über soziale Wohlfahrt in Wien gewünscht – natürlich mit Schwerpunkt auf die auch für Aso relevanten Thematiken, also soziale Sicherheit älterer Menschen. Stefan und ich saßen am Vorabend noch Stunden daran, diese knapp zehnminütige Präsentation auf Japanisch vorzubereiten, inklusive PowerPoint, schönen Fotos und sinnvollen Daten bzw. Beispielen.

Ich war vor dem Meeting wirklich sehr nervös, aber nach unserem kurzen Vortrag war die Atmosphäre merklich wohlwollender und entspannter. Die beiden waren sehr gesprächig und wir konnten einiges über die Aufgaben und Funktionen des Shakyō erfahren. Es handelt sich dabei um eine formell private, aber sehr staatsnahe Organisation, die auch auf den gleichen Ebenen wie die japanische Regierung organisiert ist: landesweit, auf Präfekturebene und auf Gemeindeebene, dort kooperieren sie mit der Lokalregierung, Unternehmen, Schulen, Gesundheitseinrichtungen und so genannten minseiiin (eine Art ehrenamtliche Sozialarbeiter*innen). Das Ziel des Shakyō ist, angepasst an die jeweiligen Bedürfnisse der Region, unterschiedliche Hilfestellungen und Leistungen im Bereich sozialer Wohlfahrt zu leisten, darunter fallen beispielsweise auch Pflegeeinrichtungen oder Beratung. Durch Community-Aktivitäten wie den fureai salon soll etwa ein System von gegenseitigem Monitoring und Unterstützung geschaffen werden. Gleichzeitig tragen diese Aktivitäten zur Stärkung des gemeinschaftlichen Zusammenhalts bei und stellen somit auch einen wichtigen Hebel gegen Einsamkeit in Aso dar.

Besonders interessant war unsere Diskussion über die Auswirkungen der Pandemie. Wir haben jetzt schon wiederholt gehört, dass sie einen negativen Einfluss auf die Lebensfreude und den Lebenssinn (ikigai) der Leute nimmt. Besonders ältere Personen sind aufgrund der erhöhten gesundheitlichen Risiken von einer stetigen Unsicherheit bzw. Angst betroffen. Außerdem wurden auch viele Feste (matsuri), Veranstaltungen und gemeinschaftliche Aktivitäten abgesagt, die einen essenziellen Beitrag zur sozialen Infrastruktur der Nachbarschaften, Bezirke bzw. Gemeinden leisten. Hierunter fallen auch die Unterbrechung bzw. Einstellung von gemeinschaftlichen Sportaktivitäten (Grand Golf, Gateball), die ebenfalls auf verschiedenen Ebenen Bestandteil dieser Infrastruktur sind. Es ist jedenfalls spannend, mehr darüber nachzudenken, was in diesem Zusammenhang als „notwendig“ und „systemrelevant“ betrachtet wird – und was nicht. Bestimmte Zeremonien etwa werden weiterhin abgehalten, jedoch aus rein religiösen Motiven und ohne Teilnehmer*innen. Soziale Zusammenkünfte werden demnach als „nicht zwingend notwendig“ bzw. „nicht verpflichtend“ klassifiziert. Dadurch, so die Sorgen der beiden Shakyō-Vertreterinnen, könne die soziale Infrastruktur vor Ort, welche unter anderem aus solchen Gemeinschaftsaktivitäten und Festen gespeist werde, nachhaltig Schaden nehmen. Es sei möglich, dass die betroffene Region, wenn Traditionen oder auch soziale Gewohnheiten zu lange unterbrochen werden, sich sehr schwer davon erholt oder auch den Wiederaufbau aufgrund begrenzter Ressourcen nicht schafft.

Am Ende haben wir auch noch nach weiteren Kontakten für ein Interview gefragt, ob wir vielleicht mit einem*einer minseiiin ein bisschen über seine*ihre Arbeit allgemein und jetzt in der Pandemie sprechen könnten. Und wir haben ein Interview bekommen! Das können wir aber leider erst nächste Woche durchführen, also nach dem Ende der eigentlichen Exkursion. Es bringt uns dem Forschungsgegenstand aber sicher ein gutes Stück näher, mit jemandem zu sprechen, der*die direkt mit den betroffenen Personen arbeitet.

Insgesamt war das Event heute eine schöne Erfahrung. Es hat uns, finde ich, auch den Stellenwert guter Vorbereitung für Interviews gezeigt und wie ein Gefühl gegenseitiger Wertschätzung und Gesprächsbereitschaft zustande kommen kann.

Verabschiedung nach einem produktiven Interview. Screenshot: Maximilian Fortin.