Nachruf: Ann Herring

11.03.2021

In Gedenken an eine herausragende Wissenschaftlerin, die über viele Jahre hinweg der Japanologie Wien verbunden war, und über deren wiederkehrende Besuche wir uns immer sehr freuten.

Mit großer Betrübnis möchte ich Sie über das Ableben von Frau Ann HERRING, emeritierte  Professorin der Hōsei Daigaku in Tokio, informieren. Ann war außer in Japan, wo sie seit dem Abschluss ihres Studiums an der University of Washington, Seattle, lebte, auch in Deutschland, der Schweiz und in Österreich als Gastvortragende, Gastprofessorin und Teilnehmerin an zahlreichen Symposien und Tagungen aktiv. Einen einmaligen Ruf erwarb sie sich als Kennerin der japanischen Kinderliteratur und vor allem als Spezialistin für die sogenannten omocha-e, der es mit ihren Forschungen gelang, ein selbst für die japanischen ukiyo-e-Spezialisten neues Gebiet zu erschließen und ein Bild von einem anderen Japan zu zeichnen, als es aus den herkömmlichen Bildern von Schönheiten und Schauspielern bekannt ist. Viele der Werke, die sie beschrieb und die die Edo-Zeit bis hin zur Zeit des Pazifischen Krieges abdeckten, hatte sie in langen Jahren selbst zusammengesammelt, wodurch sie auch bei vielen japanischen Antiquaren eine gern gesehene Erscheinung war.  Von ihrer reichhaltigen Sammlung profitierten jahrzehntelang viele Ausstellungen in Japan. In Wien konnte sie 1997/98 in der Ausstellung Papierspiel und Bilderbogen aus Tokio und Wien 1780 -1880 einen Teil ihrer einmaligen Sammlung einer breiteren Öffentlichkeit präsentieren. Vor etwas mehr als einem Jahr, im Juni 2019, erschien ihr letztes Buch Omocha-e zukushi (Tamagawa Daigaku Shuppanbu), quasi eine Zusammenfassung ihrer Arbeit und ein Vermächtnis an uns, auch über die oft vernachlässigte Kultur der japanischen Kinder zu forschen.

Sepp Linhart,
emeritierter Professor für Japanologie
der Universität Wien

Ann Herring

at the internationalen symposium "Caricatures on Japanese Woodblock Prints of the 19th Century" 幕末・明治の戯画・諷刺画, 26. – 27. May 2006, University of Vienna.